Woke Washing: Echtes Engagement oder reine Profitmaximierung?

Von Clara Lehner

Soziale Verantwortung – ein Begriff, der besonders in den vergangenen Jahre in der Kommunikation vieler Unternehmen vermehrt auftaucht. Immer mehr Menschen zeigen großes Interesse an den Themen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion, weshalb Unternehmen das Aufgreifen von sozialpolitischen Themen als erfolgreiche Marketingstrategie für sich erkannt haben. Ein aktivistisches Statement kommt gut an, bringt Profite und wertet das Firmen-Image auf. Welche Intentionen stecken aber wirklich hinter Aussagen über soziale Gerechtigkeit? Ist es tatsächlich Markenaktivismus oder handelt es sich um Woke Washing? 

Markenaktivismus vs. Woke Washing

Bei Unternehmen, die ehrlichen Markenaktivismus betreiben, werden die nach außen getragenen Werte und aktivistischen Botschaften auch innerhalb des Unternehmens gelebt. Im Gegensatz dazu geht es bei Woke Washing darum, von der Kommunikation sozialer Anliegen zu profitieren, ohne sich wirklich zu engagieren oder sich der Verantwortung zu stellen. Durch das Aufgreifen gesellschaftlicher oder politischer Missstände können Konzerne den wachsenden Anteil an sozial engagierten Konsument:innen für sich gewinnen und gleichzeitig von Kritik an unternehmenseigenen Praktiken und Produkten ablenken. 


Im Jahr 2020 wurde das Unternehmen Amazon kritisiert, weil es die Unterstützung der Black-Lives-Matter-Bewegung förderte, während es Schwarze Mitarbeiter:innen kündigte, die sich für besserer Arbeitsbedingungen einsetzten.

Quelle: Free Press

Auch Marken, die während des Pride Months ihr Logo ändern, jedoch weder Schutzmaßnahmen für LGBTQIA+-Mitarbeiter:innen anbieten, noch sonstiges sozialpolitisches Engagement aufweisen, betreiben Woke Washing. Widersprüchlich sind auch Modekonzerne, die in Marketingkampagnen für „Female Empowerment“ plädieren, gleichzeitig aber Arbeiter:innen für die Produktion ihrer Waren ausbeuten. Beispielsweise wirbt der chinesischem Modekonzern Shein mit dem internationalen Frauentag und beschreibt sich selbst als sozial verantwortlich. Denn es fördert weibliche Führungskräfte durch ein Spendenprogramm. Dass dessen Näher:innen bis zu 12 Stunden täglich arbeiten und dabei unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt sind, wird nicht erwähnt. Ein klarer Fall von Woke Washing.

Werbeanzeige von Shein für den Internationalen Frauentag.
Quelle: Shein

Diese Art der Manipulation ist selten offensichtlich, führt aber dazu, dass echte Bemühungen von anderen Akteur:innen in den Schatten gestellt werden – mit der Konsequenz, dass das Publikum allgemein skeptischer gegenüber Markenaktivismus wird. Konsument:innen sind gefordert, die Aussagen und Handlungen eines Unternehmens kritisch zu hinterfragen und sicherzustellen, dass tatsächlich Veränderungen vorangetrieben werden und die Marke nicht nur davon profitiert, sich als sozial engagiert zu präsentieren. 


Wie kannst du Woke Washing erkennen?

  1. Aktivistische Versprechen passen nicht zur Unternehmensphilosophie: Ein Anzeichen für Woke Washing ist, wenn die nach Außen kommunizierten ­Botschaften nicht mit den gelebten Werten des Unternehmens ­übereinstimmen. Weist das Unternehmen eine Geschichte von sozialer Unternehmenspraxis auf? Ergreift es auch innerhalb des Konzerns Maßnahmen zur ­Förderung von Vielfalt und ­Inklusion? Wenn nicht, dann könnte es sich um oberflächliche Werbeversprechen handeln.
  2. Unbeständiger Aktivismus: Werden sozialpolitische Themen nur zeitweise ­aufgegriffen, wenn sie gerade Trend sind, könnte Woke Washing dahinterstecken. Denn wenn ein Unternehmen echten Marken­aktivismus betreibt, beweist es dies durch eine Beständigkeit in der politischen Haltung und aktivistischen Tätigkeiten. 
  3. Späte und unpräzise Äußerungen zu sozialpolitischen Debatten: Frühzeitiges Aufgreifen eines kritischen ­Themas kann riskant sein und weist auf authentischen Markenaktivismus hin. Äußert sich ein Unternehmen erst sehr spät zu einer Debatte, kann es sich um Woke Washing handeln. Ein Problem wird aufgegriffen, weil es trendig ist und nicht, weil echter Aktivismus dahintersteckt. Unpräzise Aussagen versprechen soziale Verantwortung, während keine konkreten Handlungen genannt werden. Häufig findet man Formulierungen wie „für Vielfalt und Inklusion stehen“, „soziale Gerechtigkeit fördern“ oder „für das Wohl aller arbeiten“, die das Image der Marke aufwerten sollen. Für ehrlichen Markenaktivismus müssen die Versprechen mit tatsächlichem Engagement untermauert werden und dürfen nicht nur dem Erscheinungsbild sozialer Bewusstheit dienen.
  4. Ignoranz von Fehlern: Echtes Engagement für soziale ­Gerechtigkeit ­erfordert die Bereitschaft, Feedback zu ­akzeptieren und Änderungen vorzunehmen. Ein intransparenter Umgang mit Rückmeldungen und Kritik kann eine Indiz für Woke Washing sein.

Um eine gesellschaftliche Veränderung voranzutreiben, muss Soziale Verantwortung ernst genommen werden und darf nicht ausschließlich für oberflächliche PR-Kampagnen missbraucht werden. Markenaktivismus benötigt ehrliches Commitment und ernst gemeintes Engagement für eine gerechtere Welt. Und das ist mehr als nur ein Slogan, der gut ankommt.