Gender Marketing – die Stereotypenmaschine
Werbung und Marketing richten sich immer wieder direkt an Frauen oder Männer. Dabei werden Frauen mit zarten, blumigen, pastellfarbenen Produktverpackungen „diskrete“ oder „sanfte“ Lösungen für ihre Probleme geboten. Während Männer mit ergodynamischen, technischen Produktdesigns und „roughen“ oder „maskulinen“ Argumenten überzeugt werden sollen. Aber ist das wirklich notwendig? Und was macht das mit unserer Gesellschaft?
Gender Marketing stabilisert überholte Stereotypen und Klischees. Unterbewusst erlernen Kinder zugeschriebene Rollen in der Gesellschaft. Beispielsweise lernen Buben in Spielen der starke Held und Retter zu sein wohingegen Mädchen spielerisch lernen Verantwortung für soziale Beziehungen zu übernehmen. Dadurch wird die Vorstellungskraft von Kindern über ihren Platz in der Gesellschaft (Feuerwehrmann vs. Friseurin) stark eingeschränkt.
Eine zweigeschlechtliche Marktsegmentierung ist vielleicht gut für das Geschäft, aber schlecht für die Gleichstellung der Geschlechter!
Gender Marketing meint die geschlechterspezifische Entwicklung und Vermarktung von Produkten für weibliche Konsumentinnen einerseits und männliche Konsumenten andererseits.¹ Dieser Ansatz wird ebenfalls als „She-Commerce“ oder „Female Commerce“ definiert.² Ziele seien eine effizientere, zielgruppenspezifische Vermarktung.
Reproduktion von Stereotypen durch Produktion von Spielzeug
Beispielsweise appellierte Lego vor einiger Zeit noch genderneutral an die Kreativität, Phantasie und Vorstellungskraft von Kindern. „Lego toys build anything. Especially pride.“ Ab den 1990er Jahren beginnt der Spielzeughersteller genderspezifisches Spielzeug zu produzieren. Die neue „Produktvielfalt“ differenziert Kinder in zwei unterschiedliche Gruppen mit äußerst gegensätzlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen. Jungs sind Helden in der „Lego City“ bei der Raumfahrt-, Feuerwehr- oder Polizeistation. Mädchen hingegen kümmern sich in „Heartlake City“ um Andere und um ihr Aussehen im Friseur*innensalon, Freund*innenbus oder im Tierheim.
Die Auswirkungen von Gender Marketing setzen sich dann im Erwachsenenleben weiter fort. Die Vermarktung von Frauen- und Männerprodukten führt zum „Gender Pricing“. Produkte für Frauen (z.B. Kosmetik) sind teurer, da Frauen laut Marktanalysen bereit sind mehr „für ihr Äußeres“ auszugeben.³ Die räumliche Trennung von Produkten in Frauen- und Männerregale erschwert oft direkte Preisvergleiche vor Ort. Und da der Preisunterschied meist gering ist, fällt er vorerst oft gar nicht auf.
Z.B. kostet Rasierschaum für Frauen 0,89 € vs. für Männer 0,85 €. Einwegrasierer kosten für Frauen 0,15 € vs. für Männer 0,12 €. Der Aufpreis den Frauen für Frauenprodukte insgesamt zahlen ist allerdings hoch.
„Pink Tax“: In Österreich zahlen Frauen 30% mehr als Männer.⁴
Pink it and Shrink it
Neben diskriminierenden Kosten geht Gender Marketing oft mit peinlichen „Pink it and Shrink it“-Fails einher. Dabei werden Produkte für Frauen einfach kleiner und pinker gemacht (z.B. der pinke Akkuschrauber für die Frau). Zusätzlich steigen Unternehmen immer öfter in ein weiteres Fettnäpfchen: „Girl Washing“. Dabei wird das (pinke) Produkt mit postfeministischen Slogans beworben, ohne jene Werte der Bewegungen ansatzweise im Unternehmen umsetzen. Ein Beispiel für „Girl Washing“ sind T-Shirts mit „Feminist“-Schriftzügen, die von schlecht bezahlten vermehrt weiblichen Arbeitskräften unter menschenunwürdigen Bedingungen genäht werden.
Ein österreichisches Unternehmen trat vor kurzem sogleich in mehrere Fettnäpfchen. Eskimo wirbt mit „The Future is Female“ für das „erste weibliche Eis“: DIE Twinna. Die Twinna ist das weibliche Pendant zum genderneutralen (oder doch männlichem?) Twinni – nur in Pink und „fresh and fesch“. Dabei arbeitet die Kampagne gegen die feministische Bewegung. Denn Eskimo zieht durch die Ent-Neutralisierung von „DAS Eis“ zu „DIE Eis“ den feministischen Kampf für gendergerechte Sprache ins Lächerliche. Zudem reduziert Eskimo das „erste weibliche Eis“ wieder auf das Aussehen („fesch“).
Gender Marketing formt die Gesellschaft
Stereotypen und Klischees werden reproduziert, die Vorstellung von männlichen und weiblichen Fähigkeiten werden geprägt und das binäre Geschlechtersystem wird dadurch aufrecht erhalten – Frauen* und Männer* werden durch Gender Pricing und Pink Tax diskriminiert.
Dabei kann eine spezifische Ansprache von Gender durchaus sinnvoll sein. Stereotypische Rollenbilder sollten dabei allerdings gebrochen, und nicht reproduziert werden. Unentdeckte Fähigkeiten sollten angesprochen, und nicht eingeschränkt werden. Statt Unsicherheiten und Ängsten sollte das Selbstbewusstsein im Vordergrund stehen. Und entscheiden sollte die Zielgruppe selbst – nicht die Marketingabteilung eines Unternehmens.
1 Aufgrund der Verwendung des binären Geschlechtersystems im Gender Marketing wird im Artikel auf jenes zurückgegriffen. Wir sind uns allerdings der Geschlechtervielfalt in unserer Gesellschaft bewusst und kritisieren deshalb diesen Marketing-Ansatz.
2 Der zweigeschlechtliche Marketing Ansatz wird in der Praxis ausschließlich synonym mit dem weiblichen Namen „She Commerce“ gehandelt. Für Männer existiert kein spezifischer Marketing-Ansatz. Der Mann gelte damit als Norm – die Frau als Abweichung. („Gender Data Gap“)
3 Die Relevanz des Äußeren haben Frauen wiederum von spezifisch kreierten Mädchenspielzeugen wie Mode-, und Friseur*innensalon erlernt!
4 Die Kosten für Menstruationsprodukte sind hier noch nicht inbegriffen. Der Aufpreis berechnet sich ausschließlich aus Produkten mit „Gender Pricing“. (ihs.ac.at 2019)